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ADHS und Kreativität - die positiven Seiten der Erkrankung

Mädchen fotografiert Statuen im Museum
So viel Inspiration - alles muss dokumentiert werden

Nein, die Aussage stammt nicht von meinen Kindern. Ich habe sie aber schon mehrfach von verschiedenen betroffenen Erwachsenen gehört. 

Ob meine Kinder das später auch so sehen werden? Denn Fakt ist: Im Schulsystem ist ADHS ein Nachteil. Ihre Impulsivität ist ein typisches Symptom und nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Sie preschen gern nach vorn und überdenken Handlungen und Worte nicht vorab. 

Das beißt sich natürlich mit den so genannten Tugenden, mit denen man in der Schule punktet: Schön stillsitzen, reden erst nach dem Aufrufen, Impulse unterdrücken, Anweisungen ausführen und Ordnung halten. Und natürlich jederzeit aufmerksam zuhören! Da ist rein gar nichts dabei, was meinen zwei Kids leicht fallen würde.

Aber außerhalb der Schule vollbringen sie Leistungen, von denen andere nur träumen können. Früh war klar, dass meine Kinder – und zwar beide – ein schier unerschöpfliches kreatives Potenzial haben. Sie können stundenlang basteln, malen und zeichnen, Dinge erfinden, aufbauen, mit ihren Händen erschaffen. Nachmittags gehen sie dementsprechend in den Malkurs, zum Tanzen und Capoeira – für Mannschaftssport mit festen Regeln oder irgendwelche unkreativen Hobbies waren sie nie zu haben. 

Dabei laufen sie in Rekordzeit zu akrobatischen oder künstlerischen Höchstleistungen auf, und da sie sich auf Bühnen und mit Publikum stets wohlfühlten, wurden sie bald als zwei kleine Rampensäue oder auch gern mal als Naturtalente bezeichnet, was ihnen viel Bewunderung und Anerkennung brachte und ihr Selbstbewusstsein ordentlich boostet. Zum Glück, denn mit ADHS ist es schwierig, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Zu oft hat man das Gefühl, nichts richtig machen zu können.
Wie schön und überaus wertvoll also, wenn solche Kinder etwas gefunden haben, das sie erfüllt!

 

Bei den Hobbies zählt vor allem eines: Inspiration!

Das sieht man auch ihrem Zimmer an: Kreativ muss es sein, originell, anders. Meine Kids haben sich nie für die vielen Gesellschafts- und Brettspiele, Puzzle und Bausätze interessiert, die in Schubladen gestopft und mit Nichtbeachtung gestraft wurden. Dafür konnten sie aus dem Karton, in dem ein solches Geschenk kam, fabelhafte Dinge basteln. Regelmäßig bringen sie Gegenstände heim, die andere als Müll aussortiert haben, sie aber auf den ersten Blick inspirierten, und denen sie dann ein neues Leben einhauchen.

Der Raum ist also voller Schätze, die jemand wie ich eigentlich gern entsorgen würde, die bei den Kids aber Entzücken hervorrufen und die unbedingt noch gebraucht werden! Un-be-dingt! 

 

ADHS: Abschweifen in ferne Welten voll Abenteuer

 

Der Hyperfokus meines Sohnes sind Bücher. Er lebt in ihnen, für ihn sind sie realer als das echte Leben. Er liebte Robin Hood, Peter Pan, Die Unendliche Geschichte, Die Brüder Löwenherz. Später war es Harry Potter. Bei meiner Tochter sind es Filme. Beiden scheinen ferne Welten und spannende Geschichten mehr zu bieten, als der schnöde Alltag mit zwei neuronal normaler Elternteilen jemals hervorbringen könnte. 

Meine Kinder trifft man sonntags eher im Museum als auf dem Bolzplatz, alles muss dabei fotografiert werden („Inspiration, Mama! Für später!“) und sie können sich für Gemälde und Artefakte mehr begeistern als für Games und Spielplätze – von denen biegen sie eh in Nullkommanix in irgendwelche Gebüsche oder Wäldchen ein und fangen an, dort aus Zweigen Tipis zu bauen oder nach Schätzen zu suchen. 

Ich selbst habe in mehreren Agenturen gearbeitet und weiß aus Erfahrung, dass Freigeister und Out-of-the-box-Thinker wie meine Kids später mächtig gefragt sein werden. Aber auch als Designer, Graphiker, Tischler oder Produktentwickler kann ich sie mir vorstellen. Ich tue alles dafür, dass auf dem Weg ihr kreativer Funken und ihre Leidenschaft nicht erlöschen und sie später ihrer ADHS auch viele positive Seiten abgewinnen können. Hoffentlich.

 

 

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